Erstellt am: 24.05.2020

Digitales Gespräch mit Stephan Bayer, Gründer und CEO des EdTech-Unternehmens sofatutor und Vorstandsmitglied im SIBB e.V.

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Im Mai waren Stephan Bayer, Gründer und CEO des EdTech-Unternehmens sofatutor und Vorstandsmitglied im SIBB e.V., und René Ebert, Managing Director SIBB e.V. im digitalen Gespräch


René Ebert: Hallo Herr Bayer! Schön, Sie einmal wiederzusehen, wenn in diesen Tagen Corona-bedingt auch nur virtuell und nicht so ganz direkt. Danke, dass Sie sich die Zeit für ein paar Fragen nehmen.

Stephan Bayer: Sehr gern und ein freundliches virtuelles Hallo.

René Ebert: Sie sind ja mit Ihrem Unternehmen sofatutor im März auch recht zügig in den Lockdown-Modus umgeschwenkt. Wie ging das bei Ihnen vonstatten? Berichten Sie bitte doch einmal ein wenig nun auch mit etwas Abstand zu der turbulenten ersten Zeit und geben Sie uns ein paar Einblicke zu den Erfahrungen, die Sie gemeinsam mit den MitarbeiterInnen in den letzten Wochen gesammelt haben.

Stephan Bayer: Unsere über 120 festangestellten MitarbeiterInnen haben wirklich fantastisch mitgezogen. Wir haben Mitte März sehr schnell gemeinsam die Entscheidung getroffen, allesamt für die nächste Zeit aus dem Home-Office weiterzuarbeiten. Unser Geschäftszweck EdTech – das virtuelle Lernen – kam uns sicherlich entgegen, denn alle unsere MitarbeiterInnen leben ja tagtäglich das remote Vermitteln von Inhalten. Wir haben in den vergangenen Wochen viele neue Erfahrungen gesammelt, wie etwa das digitale Recruiting und Onboarding von neuem Personal. Glücklicherweise waren wir trotz Krise in einer Situation, die es uns ermöglicht hat, viele neue MitarbeiterInnen in dieser Zeit einzustellen.

René Ebert: Das Vermitteln von Lehrinhalten via Online-Plattformen, also im weitesten Sinne der Ed-Tech-Sektor, muss doch in den letzten Wochen deutschlandweit einen unheimlichen Schub erfahren haben. Wie stellt sich das für Ihr Unternehmen dar? Wurden nun auf einmal gerade vielleicht von öffentlichen Stellen Projekte rasch angegangen und umgesetzt, die eventuell vorher schon lange in einer Evaluierungsphase steckten und nicht so recht das finale GO bekamen?

Stephan Bayer: Wir haben festgestellt, dass deutschlandweit ein sehr großer Bedarf nach digitalen Lösungen besteht: Die Besucherzahlen auf sofatutor stiegen seit den Schulschließungen Mitte März von monatlichen 1,5 Millionen auf wöchentliche 1,5 Millionen. Wir sind bereits Kooperationen eingegangen, zum Beispiel mit dem Land Bremen, um sofatutor flächendeckend in die Schulen zu bringen. Auch in der Stadt Halle an der Saale in Sachsen-Anhalt wurden alle Schulen mit sofatutor ausgestattet. Insgesamt waren es über 5000 Schulen, die unser Angebot in der Krise genutzt haben, um den Unterrichtsausfall abzufedern.

Wichtig wird es sein, dass die Schulen auch jetzt bei der schrittweisen Öffnung und beim Wiedereinstieg adäquat unterstützt werden. Sie mussten ja in den letzten Wochen viel eigenhändig auf die Beine stellen, als die Schließungen sehr kurzfristig beschlossen wurden. Und beim weiteren Vorgehen sind jetzt auch Bund und Länder gefragt. Denn noch fehlen in Deutschland leider nicht nur die infrastrukturellen Voraussetzungen für eine digital gestützte ortsunabhängige Lehre. Es fehlen schlicht die passenden Inhalte, wie wir sie mit sofatutor anbieten. Um die Anschaffung dieser wichtigen digitalen Lerninhalten für Schulen finanziell überhaupt zu ermöglichen, hat das Bundesbildungsministerium vor einigen Wochen im Schnellverfahren 100 Millionen Euro aus dem Digitalpakt bewilligt. Noch fehlen hier aber die konkreten Schritte, wie Schulen diese Sofortgelder beantragen können.

René Ebert: Sie bringen Ihre Kompetenzen ja auch immer wieder im SIBB Forum Human Resources mit ein; vielen Dank dafür an dieser Stelle. Würden Sie sagen, dass in der hoffentlich bald beginnenden Nach-Corona-Phase das EdTech-Thema im schulischen Bereich dann auch langfristig einen deutlich höheren Stellenwert haben wird als vor Corona oder verfallen die Kultusministerien der Ländern eher schnell wieder auf den früheren Status Quo zurück?

Stephan Bayer: Die „Nach-Corona-Phase“ ist noch in weiter Ferne: Nur 2,6 Mio SchülerInnen durften jetzt in der ersten Phase zurück in die Schulen, die weiteren ⅔ sind noch immer im Homeschooling. Das wird sich auch trotz der angestrebten rollierenden Systeme, bei denen alle Kinder bis zu den Sommerferien tage- oder wochenweise wieder in die Schulen gehen können sollen, nicht ändern. Der Bedarf nach systematischen und einheitlichen digitalen Lösungen steigt allein dadurch noch weiter an. Was uns aber besonders freut, sind die positiven Rückmeldungen der Lehrkräfte: Es herrscht ein großes Interesse an digitalen Angeboten für den Unterricht. Das betrifft sowohl jene, die gerade aus dem Referendariat kommen, als auch Lehrkräfte, die bereits jahrelang im Schulbetrieb arbeiten. Digitale Lerninhalte werden als das gesehen, was sie sind: eine Ergänzung und Bereicherung des Unterrichts. Sie sind das Handwerkszeug für Lehrkräfte, um binnendifferenziert und somit individueller unterrichten zu können.

Digitale Lerninhalte sind auch eine absolute Voraussetzung, um für Ausnahmesituationen wie die aktuelle gewappnet zu sein. Diese Relevanz digitaler Lerninhalte und -plattformen wurde jetzt auch in der Öffentlichkeit und der Politik erkannt. Die Krise zeigt uns vor allem, dass wir jetzt Investitionen in digitale Inhalte brauchen, die qualitativ hochwertig und ortsunabhängig verfügbar sind.

René Ebert: Ich weiss und erlebe es ja häufig, dass Sie als Vorstandmitglied des Digitalwirtschaftsverbandes Berlin-Brandenburg weit über den eigenen „Unternehmenstellerrand“ im Sinne der Branche hinaus schauen. Was kann denn die Digitalwirtschaft unsere Region in dieser aktuellen Phase der zu erwartenden scheibchenweisen Rückkehr zur Normalität Nutzenstiftendes für die Menschen und Unternehmen der Region beitragen und leisten?

Stephan Bayer: Zum einen sollten wir als UnternehmerInnen diese Situation nutzen und uns untereinander austauschen, vernetzen und Best-Practices miteinander teilen. Wir erfahren diese Situation ja gemeinsam zum ersten Mal. Da hilft es, mit anderen Unternehmen den Dialog zu suchen, um voneinander zu lernen und die eigenen Erfahrungen zu teilen – auch über Branchengrenzen hinweg. Zum anderen müssen wir jetzt auch auf unsere KundInnen und die Menschen generell schauen: Durch die Digitalisierung können wir für sie flexibel bleiben und auf die Bedürfnisse der NutzerInnen eingehen. Wenn wir das schaffen und die daraus entstandenen neuen Leistungen oder Produkte auch in das eigene Unternehmensportfolio integrieren, ist das ein weiterer Schritt in Richtung Normalität. Es braucht jedoch auch viel Unterstützung der Politik, da es nicht für alle Unternehmen gleichermaßen leicht sein wird, in die erhoffte Normalität zurückzukehren.

René Ebert: Vor kurzem haben wir als SIBB ja erneut gemeinsam mit der Berliner Senatswirtschaftsverwaltung den Deep Tech Award ausgerufen bei dem erneut bis zu 60.000 € Preisgelder vergeben werden. DeepTech orientierte Firmen können sich bis zum 30. Juni mit ihren Lösungen bewerben. Glauben Sie, dass es einen Trend geben wird von Bewerbungen, die auf die aktuelle Pandemie-Situation einzahlen also Lösungen bieten?

Stephan Bayer: Zahlreiche Lösungen aus dem DeepTech-Bereich lassen sich sicherlich gut auf die aktuelle Situation anwenden und erfahren derzeit – genau wie wir – einen Relevanzschub. Ich kann mir vorstellen, dass die Firmen bei ihrer Bewerbung an Beispielen der letzten Wochen gut zeigen können, wie ihre Lösungen unsere Arbeit und unsere Gesellschaft nachhaltig verbessern. Die Prämisse, dass diese Lösungen „flexibel“ und „anwendungsorientiert“ sein sollen, bleiben aber die gleichen wie vor der Pandemie.

René Ebert: Da gebe ich Ihnen völlig Recht und ich bedanke mich sehr herzlich für das sehr spannende Gespräch Herr Bayer und, dass Sie sich die Zeit dafür genommen haben. Und Ich hoffe natürlich, wir sehen uns bald auch einmal wieder direkt, wenn dann die aktuellen Kontaktbeschränkungsmaßnahmen nicht mehr nötig sind - was wir uns sicherlich alle herbeisehnen.